Eine Praxis des Mitgefühls in Beratung, Begleitung und Therapie
Zwei Kursteile: Teil 1 vom 03.-04.11.2022 und Teil 2 vom 19.-20.12.2022
Die Compassion Focused Therapy (CFT) wurde von dem britischen Psychologen Prof. Paul Gilbert und Kolleg*innen in den letzten 30 Jahren entwickelt und findet inzwi-schen weltweit großes Interesse. Neben einflussreichen Ansätzen wie der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT), der emotionsfokussierten Therapie (EFT) u.a. reiht sich die CFT bei den achtsamkeitsbasierten und kontextuellen Therapien ein. Mit „Compassion“ beschreibt Gilbert eine mutige und heilsame innere Haltung, sich selbst und der Welt gegenüber, die geprägt ist von wohlwollener Unterstützung.
Compassion, so Gilbert, umfasst drei Domänen: Weisheit, Wohlwollen sowie Engagement und wird definiert als die „Empfindsamkeit gegenüber eigenem Leid und dem Leid anderer Menschen, verbunden mit der tiefen Absicht, dieses Leid zu lindern und ihm vorzubeugen.“
Gilbert beobachtete im Kingsway Hospital in Derby (GB) in seiner psychotherapeutischen Arbeit sowie in seiner Forschungsarbeit mit schwer depressiven Patienten, dass deren Erleben oft von starker Scham und Selbstverachtung geprägt war. Sie fühlten sich nicht gewollt und ausgegrenzt und versuchten, ihre unangenehmen Gefühle zu regulieren, indem sie sich selbst oder andere kritisierten, verurteilten und schädigten. Ihre Fähigkeit, sich selbst zu besänftigen und Mitgefühl für sich und andere zu empfinden, war kaum entwickelt. Stattdessen empfanden sie es als bedrohlich, Unterstüt-zung, Freundlichkeit und Verständnis anzunehmen. In diesem Zusammenhang erkannte Gilbert auch wichtige Gründe für stockende, schwierige und erfolglose Therapieverläufe. Mit der CFT entwickelte er einen Ansatz, der genau hier ansetzt und der feinfühlig und bewusst Mitgefühl in der therapeutischen Arbeit explizit einführt und betont.
Gilbert ist es wichtig, dass Patient*innen in ihren Therapien lernen, Sicherheit und Geborgenheit in sich selbst und mit anderen aufzubauen sowie Gefühle wie Freude, Lie-e, Güte und Mitgefühl zu geben, zu empfangen und für sich selbst aufzubringen. Die CFT konzentrierte sich im klinischen Kontext zu Beginn auf die Arbeit mit Patient*innen mit stark verurteilender Selbstkritik und ausgeprägter Scham. Mittlerweile wissen wir, dass diese im Zusammenhang mit fast allen psychischen Störungen eine wichtige Rolle spielen, was die CFT zu einem transdiagnostischen Ansatz hat werden lassen. Die Wirksamkeit konnte so in den letzten Jahren für viele Symptome und selbst Psychosen nachgewiesen werden.
Im Onlineseminar werden wir neben einer Einführung in die Grundzüge und Hinter-gründe dieses Ansatzes, den Blick darüber hinaus lenken und üben, die CFT auch für uns selbst als Berater*innen, Begleiter*innen, Therapeut*innen zu nutzen. Einen Teil des Seminars widmen wir so der Erfahrung eines mitfühlenden selbstfürsorglichen Umganges mit uns selbst. Dabei werden wir immer wieder den Bogen schlagen zu den Fragen, wie Sie das, was Sie dabei anspricht, in die Kontexte bringen können, in denen Sie arbeiten.
In Verbindung zu systemischem Denken sind uns dabei auch mehrgenerationale Zugänge wichtig, die oft öffnende neue Sichtweisen auf größere Zusammenhänge er-möglichen. Durch Erkenntnisse und Anwendung aus der Bindungstheorie werden wir die Brücke schaffen können zwischen systemischen Therapien und der CFT als moderner, achtsamkeitsbasierter Ansatz der kontextuellen Verhaltenswissenschaft.
Wir beschäftigen damit, wir wir:
Aspekte von Mitgefühl und Selbstfürsorge für Klient*innen in Ihrem jeweiligen Arbeitskontext einbringen können,
für und mit Klient*innen Übungen erleben können, die Mitgefühl und Selbstfürsorge begünstigen, hervorbringen und stärken,Klient*innen helfen können, einen akzeptierenden und dennoch engagierten Standpunkt einzunehmen, aus dem sich leichter mit schmerzhaften Erlebnissen umgehen lässt,
als Berater*in oder Therapeut*in selbst flexibel bleiben und sowohl mitfühlend als auch den Anforderungen entsprechend in Kontakt gehen und bleiben können (auch mit sich selbst),
Stille und körperliche Zugänge als Ressource pflegen können.
Wie wird gearbeitet?
Im Onlineseminar wird in einem Wechsel von theoretischen Impulsen, Praxisreflexion, Selbsterfahrung, moderierter Plenumsdiskussion, Kleingruppen und Einzelreflexion gearbeitet. Konkrete Übungen in Rollenspielen helfen, das Erlernte im geschützten Seminarrahmen in die eigene Arbeitsweise zu integrieren.
Termin und Arbeitszeiten
03.+04. November 2022, jeweils 09.00 bis 12.30 und 14.00-16.30 Uhr
19.+20. Dezember 2022, jeweils 09.00 bis 12.30 und 14.00-16.30 Uhr
Gesamtkosten: 520,00 €
Referent*innen:
Dr. Mirjam Tanner, Psychiaterin und Psychotherapeutin FMH, eigene Praxis in der Region Zürich, Autorin, CFT- Trainerin und Supervisorin, interessiert an einer gesunden und mitfühlenden Menschheitsfamilie. Aktuelle Buchveröffentlichung: “Dem Leben einen Dreh geben” erscheint im Oktober 2020 • www.mitfuehlen.ch
Tom Pinkall • sh. unter “Wir”