Folgt man der Wirksamkeitsforschung in der Psychotherapie, ist die Qualität der Beziehung von besonders großer Bedeutung. Ihr hat Sabine Svitak ein ganzes Buch mit dem Titel “Die therapeutische Haltung in ACT - Achtsamkeit in der therapeutischen Beziehung” gewidmet. Wir haben mit ihr ein schriftliches Interview geführt und sind dankbar, dass sie sich die Zeit dafür genommen hat:
Liebe Sabine, was war Dir persönlich wichtig daran, ein Buch über die therapeutische Beziehung in ACT zu schreiben?
Die Akzeptanz und Commitment Therapie ist der erste verhaltenstherapeutische Ansatz, der mir aufgezeigt hat, wie ich mit der therapeutischen Beziehung arbeiten kann. Am Anfang meiner Arbeit als Psychotherapeutin in einer Klinik , bin ich davon ausgegangen, dass die therapeutische Beziehung etwas ist, das einem in die Wiege gelegt sein muss, also nicht veränderbar ist. Erst mit dem Erlernen von ACT wurde mir klar, auch Beziehung ist Verhalten und somit beinflussbar. Die ACT bietet eine Fülle an Möglichkeiten, die therapeutische Beziehung absichtsvoll einzusetzen, um gemeinsame Therapieziele zu erreichen.Mit dem Buch verbinde ich die Hoffnung, dass es Therapeut*innen und Berater für ACT und für die Prozesse innerhalb der therapeutischen Beziehung begeistert und dass die therapeutische Arbeit dadurch effektiver und gleichzeitig einfacher wird.
Wie würdest Du denn einige wesentliche Einflussfaktoren auf die therapeutische Beziehung beschreiben?
Früher hätte ich geantwortet, dass Offenheit, Empathie, Verlässlichkeit, Respekt wichtige „Zutaten“ sind, die die vertrauensvolle therapeutische Beziehung beeinflussen. Die Forschung zeigt auch, dass die Erwartung an die Beziehung und das Übereinkommen über gemeinsame Ziele wichtig für die therapeutische Allianz und das Therapieergebnis sind. In der ACT stellen wir als Therapeut*innen eine flexible therapeutische Beziehung her, indem wir die Hexaflexprozesse auf uns selbst und die therapeutische Beziehung anwenden. Indem wir annehmend auf schwierige Gedanken bei uns und bei den Klient*inne zugehen können. Indem wir in der Lage sind nicht nur Inhalt sondern auch die Funktion von Gedanken erkennen können, indem wir präsent, engagiert und wirklich beteiligt sind an dem, was den Klient*innen wichtig ist, indem wir uns nicht in Selbstkonzepten über uns oder denen unserer Klient*innen verlieren, indem wir auf unterschiedlichen Wegen, angepasst an die Erfordernisse der Situation zu klaren gemeinsamen nicht eigenen Zielen kommen.
Und was würdest Du uns empfehlen, wenn wir unseren Anteil an der therapeutischen Beziehung verbessern wollen?
An sich geht es ja nicht um die gute therapeutische Beziehung als Selbstzweck sondern wir betrachten die therapeutische Beziehung immer vor dem Hintergrund des Erreichens der gemeinsamen therapeutischen Ziele. Ist also Dein Eindruck, dass Deine Klient*innen von einer anderen Beziehungsgestaltung mehr profitieren könnten, dann würde ich schon gratulieren wollen zu dieser Beobachtung und zu Deiner Bereitschaft, die eigene Beziehungsgestaltung zu verändern. Neben dem Bewusstwerden unserer eigenen Beziehungsgeschichte, wie wir geprägt sind mit unseren ersten Bindungserfahrungen können wir an unserer Präsenz in der therapeutischen Beziehung arbeiten. Sind wir gegenwärtig dann ist es uns möglich, Fusion, Bewertungen, Regeln, Selbstkonzepte, unklare Ziele, eigene Passivität und Vermeidungsverhalten zu erkennen, die eventuell die therapeutische Interaktion oder den Therapieerfolg beeinträchtigen. Das ist Voraussetzung für eine Veränderung unseres Verhaltens und dessen Auswirkungen auf die Beziehung und das Therapiegeschehen. Hilfreich finde ich dazu auch immer, sich nochmal Zeit zu nehmen für eine Fallkonzeptualisierung und das Beobachten einzelner Prozesse mithilfe der ACT Matrix.
Wie hat sich das Schreiben des Buches auf Deine Arbeit mit Klient:innen und Patient:innen ausgewirkt?
Das müsste man wohl die Patient*innen fragen. Persönlich habe ich viel gelernt und mein Verständnis von ACT vertieft, aber vor allem setze ich die therapeutische Beziehung sehr viel mehr ein als Instrument im Sinne der Therapieziele. Ich denke ich bin heute spürbarer als früher, bringe mich als Mensch mehr ein. Ich bin geduldiger und mutiger geworden und ich gehe sehr viel offener mit Brüchen in der therapeutischen Beziehung um.
Welche Frage hat Dir gefehlt und was würdest Du darauf antworten?
Vielleicht darf ich diese Frage ergänzen:
“Wie kann man ganz kurz die therapeutische Haltung in ACT beschreiben?”
Viele unserer Klienten haben das Gefühl unnormal, anders, kaputt zu sein und nehmen sich als getrennt vom Rest der Welt wahr. Allein durch unsere Sprache wie „ja, das ist menschlich, dass Sie in dieser Situation Angst bekommen, so reagieren wir auf bestimmte Ereignisse.“ können wir Verhalten normalisieren. Und wir machen deutlich, dass wir alle im gleichen Boot sitzen. Nicht hier sitzt die allwissende, kluge, selbstbewusste und ausbalancierte Therapeutin, dort der Patient. Sondern wir sind aus demselben Holz geschnitzt und tappen in dieselben Fallen, die unser Verstand uns stellt. Die Prozesse, die wir in der Therapie bearbeiten, sind universell. Sie sind nicht Teil einer Krankheit, sondern Teil des Menschseins.